2009/08/09

Aus der Dunkelkammer

Fast ein Jahr ist nun das neueste Werk von Günter Grass alt, gelesen habe ich es aber erst jetzt. Der im September 2008 erschienene Roman Die Box. Dunkelkammergeschichten ist quasi eine Fortsetzung seiner Autobiographie, die im Jahre 2006 für großes Aufsehen gesorgt hatte. Im Werk Beim Häuten der Zwiebel kommt Grass nämlich auf seine Mitgliedschaft in der Waffen-SS zu sprechen, die bis dato der Öffentlichkeit nicht bekannt war.
Dieses Buch nun ist jedoch nur quasi eine Fortsetzung und nur quasi eine Autobiographie. Es kommen nämlich größtenteils die acht Kinder des Vaters zu Wort, wobei sie natürlich genauso wenig mit den Kindern von Grass gleichgesetzt werden können, wie der Vater mit dem Schriftsteller. Trotzdem werden hier bedeutende und weniger bedeutende Ereignisse aus dem Leben des Autors aufgezeigt, die teilweise bereits aus dem Lebenslauf von Grass bekannt sind.
Bis Ende der neunziger Jahre erhalten wir zum Teil intime Einblicke in das Leben des Schriftstellers, seine Familie und seine Arbeit. All dies wird begleitet von einer Freundin der Familie, Maria Rama, die mit ihrer Box – einem alten Fotoapparat – wichtige und weniger wichtige Momente des Familienlebens festhält. Wirklichkeit und Fiktion vermischen sich dabei nicht nur bei den erzählten Ereignissen, sondern auch bei den gemachten Aufnahmen, da Marie mit ihrer Kamera auch die Wünsche der Familienmitglieder, Vergangenes und Zukünftiges abzubilden vermag.
Diese fesselnde Unsicherheit, was wahr und was ausgedacht ist, ist im Roman gepaart mit der lebendigen Erzählweise des Autors, die im Grunde durch und durch ein Dialog zwischen den Familienmitgliedern ist. Sie fallen einander ins Wort, brechen Gedanken und Sätze ab, lassen Geschehnisse unaufgedeckt und verweisen dunkel auf Vergangenes. Oftmals wissen wir gar nicht, wer gerade spricht.
Alles in Allem fand ich Die Box lesenwert und faszinierend. Hier und da hätte ich mir mehr Informationen und einen längeren Blick auf bestimmte „Dunkelkammergeschichten“ gewünscht, aber auf diese Weise bleibt der Roman eben kompakt und zieht sich nicht – wie es bei Grass leider manchmal der Fall ist – zu sehr in die Länge. Erneut konnte ich mich davon vergewissern, dass der Schriftsteller sein Handwerk perfekt beherrscht und mich mit seinen Sätzen und seiner Erzählweise leicht in seinen Bann ziehen kann. Ein Werk, das Lust auf das neuerliche Lesen seiner bisherigen Werke macht und auf möglichst viele neue Novellen und Romane hoffen lässt!

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