2013/05/29

"Der Mensch, der mir am nächsten ist, bin ich..."

Wer hat es hier schon von den werten Lesern getan? Es ist an der Zeit zu beichten! Nur keine falsche Bescheidenheit, nun ’mal raus mit der Sprache!
Immer wieder beobachte ich nämlich beim wohl bekanntesten sozialen Netzwerk die komische Gewohnheit, eigene Beiträge zu liken. Da stelle ich mir dann immer die Frage: Was sind das für Leute, die ihren eigenen Post liken? Was geht ihnen dabei durch den Kopf? Sind es Egoisten, die immer und überall im Mittelpunkt stehen wollen? Die sich im wirklichen Leben auch täglich im Spiegel beobachten und dabei stets feststellen, wie schön sie doch sind? Das vielleicht sogar halblaut vor sich hinsagen? Sind es liebes- und anerkennungshungrige Menschen, die durch solche Like-Aktionen nur mehr Aufmerksamkeit erhaschen möchten? Oder gelangweilte Chaoten, die nichts Besseres zu tun haben, als ihrer Freizeit auf diese Weise einen Pseudo-Sinn zu geben?
Ich weiß es wirklich nicht, aber immer wieder kommt es vor, und jedes Mal erstaunt es mich aufs Neue. Wer eine (andere) Antwort parat hat, möge sie mir bitte mitteilen!

2013/05/22

Fates Warning

Der berühmteste Bergsteiger Ungarns, Zsolt Erőss, ist wohl tot. Mit vollkommener Sicherheit kann man das noch nicht feststellen, aber die Chancen auf ein Wunder sinken von Stunde zu Stunde. Seit gestern Nachmittag fehlt vom erfahrenen Mann und seinem jungen Bergsteigerkollegen, die zuvor den dritthöchsten Berg der Welt im Himalaya-Gebirge erfolgreich erklommen hatten, jede Spur. Die Suche nach ihnen wurde heute eingestellt.
Was mir bei dieser traurigen Nachricht immer wieder durch den Kopf schießt, ist die Feststellung, dass er das Schicksal einmal zu oft herausgefordert hat. Der 45-jährige Erőss, der schon im Jahr 2002 als erster Ungar den Mount Everest, den höchsten Berg der Welt, erfolgreich bezwungen hatte, verletzte sich nämlich im Januar 2010 beim Bergsteigen so schwer, dass sein rechtes Bein unterhalb des Knies amputiert werden musste. Er gab aber seine Karriere, sein Leben nicht auf und kletterte weiter – nunmehr mit einer Prothese. Schon im Herbst desselben Jahres war er wieder im Hochgebirge unterwegs.

Nun scheint es, als ob seine Karriere und sein Leben ein jähes Ende genommen hätten. Dass er sich wohl selbst, wie auch seine Familie, über die Gefahren im Klaren war, wird durch nichts eindeutiger belegt, als durch das heutige Interview mit seiner Ehefrau, die selbst Bergsteigerin ist. Die Frau erklärte, dass sie keine Hoffnung mehr auf eine Rückkehr ihres Mannes hat, und stellte dies quasi nüchtern und emotionslos fest. Die Gefahr und der Tod lauern wohl bei diesem Sport immer im Hintergrund – und nun hat es vermutlich einen Weiteren erwischt.
Natürlich ist man im Nachhinein immer schlauer, aber ein eindeutigeres Warnzeichen kann man sich wohl kaum vorstellen, als das, was Erőss widerfahren ist. Und was das Ganze noch in ein etwas anderes Licht rückt, ist die Tatsache, dass er neben seiner Frau auch zwei kleine Kinder hinterlässt: ein vierjähriges Mädchen und einen eineinhalbjährigen Sohn.

Sicherlich ist das leichter gesagt, als getan, aber hätte der seit 1990 aktive Bergsteiger nicht aufhören sollen bzw. müssen, so lange er es noch hätte tun können? Sind mehr als zwei Jahrzehnte, in denen er reichlich Abenteuer erlebt und das Schicksal herausgefordert hatte, nicht genug? Natürlich war das Bergsteigen sein Leben, keine Frage, aber hätte er nach der Geburt seiner Kinder und seinem schlimmen Unfall nicht Prioritäten setzen müssen? Das Warnzeichen erkennen müssen? Ist es seinerseits nicht purer Egoismus gewesen?
Diese Fragen schwirren mir durch den Kopf, auch wenn der Mann auf Grund dessen, was ich in Fernsehinterviews mitbekommen habe, ein äußerst sympathischer Kerl gewesen ist. Er hat sich sicherlich für immer in den Geschichtsbüchern verewigt, nur glaube ich, dass der Preis, den er und seine Familie bezahlen mussten, viel zu hoch gewesen ist… Wenn es denn so sein sollte: möge er in Frieden ruhen!

2013/05/17

Der Tag, an dem die Erde stillstand

So ziemlich genau fünf Monate hat es gedauert, bis ich nun vor einigen Tagen mein jüngstes Leseerlebnis beendet habe. So lange ist es her, dass ich den vorigen Roman beendet und diesen Neuen begonnen habe. Eine ziemlich lange Zeit, aber mangels der notwendigen Freizeit sowie infolge des Familienzuwachses und der Länge des Werks ist diese Tatsache im Grunde überhaupt nicht überraschend.
Denn der Roman 11/22/63 von Stephen King (in der deutschen Übersetzung trägt er den Titel Der Anschlag) ist im amerikanischen Original etwa 850 Seiten lang. Also wieder einmal ein Wälzer vom Meister, den ich zum überwiegenden Teil in den öffentlichen Verkehrsmitteln gelesen habe, da zu Hause oder anderswo fast keine Zeit dafür blieb.

Die Handlung ist im Grunde schnell erzählt, auch wenn es natürlich unmöglich ist, hier die vielen Details zu präsentieren. Ein Englischlehrer namens Jake Epping reist mit Hilfe seines todkranken Freundes Al Templeton zurück in die Vergangenheit. Letzterer beauftragt ihn nämlich mit der schweren Aufgabe, das Attentat auf JFK in Dallas zu vereiteln und damit die Weltgeschichte nachträglich zu verändern. Jake baut in der Vergangenheit eine neue Identität und quasi ein neues Leben auf, und deshalb beeinflussen ihn viele Ereignisse in der Verwirklichung seines Plans. Ob und wie ihm die Sache gelingt und welche Konsequenzen dies hat, sei hier natürlich nicht verraten.

Der Roman, der – wie einige weitere Werke Kings der jüngsten Vergangenheit – auch die meisten Kritiker davon überzeugen konnte, dass er bei Weitem kein (reiner) Schriftsteller des Genres Horror ist, spiegelt auf beeindruckende Weise das Leben der fünfziger und sechziger Jahre in den USA wider. Natürlich versteht man als Europäer nicht alle Referenzen und kennt nicht alle Ereignisse, auf die er Bezug nimmt, aber das ganze Werk zeigt deutlich, welch große Recherche von King und ein-zwei seiner Freunde, Kollegen dahinter steckt.
All dies wird natürlich – wie auch im Nachwort ausdrücklich erwähnt – nicht so präsentiert, wie es in den Geschichtsbüchern steht oder passiert ist. Hier und da nimmt sich nämlich der Autor die Freiheit und verändert Begebenheiten, Zeitpunkte und Details, so wie es sich für einen waschechten Science-Fiction-Roman gehört.

Auf diese Weise offenbart sich eine bemerkenswerte Mischung von Realität und Fiktion, und das ganze wird sicherlich viel unterhaltsamer und lässt sich leichter lesen, als ein historischer Tatsachenbericht über die damaligen Ereignisse.
Schon allein deshalb, weil der Großteil des Romans nicht den Anschlag selbst, sondern das Leben des Attentäters Lee Harvey Oswald und das neue Leben Jake Eppings aufzeigt, bis sich die Handlung zuspitzt und wir gegen Ende des Werk mit den Ereignissen des 22. November 1963 konfrontiert werden.
Alles in allem waren es sehr unterhaltsame fünf Monate, und es tut mir nur irgendwie leid, dass ich nicht zügiger vorankommen konnte. Dann hätte ich nämlich die erzählte Geschichte noch mehr genossen. Auf jeden Fall ist auch das ein Grund dafür, auch dieses Buch irgendwann ein zweites Mal zu lesen.