2011/11/26

Dystopie

Wie es der Zufall so will, war ich am Donnerstag das zweite Mal innerhalb von zwei Wochen bei einem Konzert, und dies waren auch gleich die zwei einzigen Konzerte für mich in diesem Jahr. Nach den Jungs von Rammstein durfte ich vor zwei Tagen eine Band sehen, die ich noch nicht live erlebt hatte: Iced Earth. Eine amerikanische Heavy Metal-Gruppe, die schon seit Mitte der achtziger Jahre die Bühnen dieser Welt unsicher macht.
Obwohl sie nicht zu meinen größten Lieblingen gehören, kenne ich ihr Werk doch recht gut und ließ mich deshalb von meinem Bruderherz dazu überreden, zum Konzert mitzugehen. Zum Glück wurden wir vom Fünfergespann nicht enttäuscht!

Das Konzert war ein großer Kontrast zum Rammstein-Konzert vor zwei Wochen. Hier tobten nicht mehr als zehntausend Fans in einer Sporthalle, sondern nur ein-zweihundert Leute in einem kleinen Club am Rande der Stadt. Obwohl – das muss fairer Weise gesagt werden – Iced Earth schon des Öfteren große Open Airs mit mehreren zehntausend Fans in aller Welt gespielt hat. So standen wir also nur wenige Meter von der Bühne entfernt und konnten das Konzert quasi hautnah miterleben.

Etwas mehr als anderthalb Stunden begeisterten uns die fünf Amerikaner, mit alten und neuen Songs gleichermaßen. Vier Lieder wurden vom neuen Album Dystopia zum Besten gegeben, auf dem als nunmehr neuer Sänger Stu Block die Heavy Metal-Legende Matt Barlow ersetzt. Aber auch zahlreiche alte Klassiker – wie die Songs The Hunter und Watching Over Me – wurden dem ungarischen Publikum nicht vorenthalten. Zudem erklang gegen Ende des Konzerts das über fünfzehnminütige Lied Dante’s Inferno, das den ersten Teil des berühmten literarischen Werks Göttliche Komödie von Dante Alighieri in einer wahren musikalischen Orgie verarbeitet.

Alles in allem hat Iced Earth ein gutes, gelungenes Konzert abgeliefert, das nach dem neuen Album auf eindrucksvolle Weise bewiesen hat, dass die Wahl des neuen Leadsängers Stu Block ein guter Zug war. Er hat als Nachfolger von Matt Barlow ein schweres Erbe angetreten, aber dank seiner abwechslungsreichen, starken Stimme und seiner Bühnenpräsenz durchaus das Potential, langfristig in der Band Fuß zu fassen.

2011/11/21

Um Mitternacht in Paris

Ich bin, wie die Leser dieses Blogs wohl schon wissen, kein großer Kinobesucher, aber den neuen Film von Woody Allen wollte ich mir doch anschauen und nicht warten, bis er in einigen Jahren auch im Privatfernsehen laufen wird. Zum Glück wurde ich nicht enttäuscht und habe mich bei Midnight in Paris sehr gut amüsiert. Es ist zwar sicherlich kein Werk, das zum Beispiel Chancen auf einen Oscar hätte, aber einerseits ein Film, der mir einen angenehmen Nachmittag beschert hat, andererseits auch einer, der zum Nachdenken anregt.
 
Die Geschichte kurz und knapp: Gil Pender, ein erfolgreicher Drehbuchautor aus Beverly Hills (gespielt von Owen Wilson), arbeitet an seinem ersten Roman. Ihn und seine Zukünftige verschlägt es nach Paris, und Gil ist begeistert vom Flair der Stadt, da er ein begeisterter Anhänger vom Paris der 1920er Jahre ist. Eines Abends, als er alleine durch die Stadt schlendert, nimmt ihn genau um Mitternacht ein altes Auto mit einigen Menschen auf, und auf der Feier, zu der sie fahren, findet er sich auf surreale Weise eben im Paris der zwanziger Jahre wieder.
 
Nach und nach trifft er in den folgenden Nächten, als er immer um Punkt Mitternacht an den Ort seiner ersten Begegnung mit dem komischen Auto zurückkehrt und mitgenommen wird, auf Größen aus der Epoche: F. Scott Fitzgerald, Ernest Hemingway, Pablo Picasso, Salvador Dalí (übrigens ein bemerkenswerter Auftritt von Adrien Brody), Luis Bunuel und andere. Am liebsten möchte er nie mehr nach Amerika zurückkehren, zumal er hier auch Unterstützung bei seiner Arbeit an seinem Roman erhält. Wäre da nicht seine zukünftige Ehefrau, die ganz anderer Meinung ist...
 
Die große Frage, mit der sich der neue Film von Woody Allen beschäftigt, ist, warum wir uns immer nach Orten und Zeiten sehnen, die nicht unsere sind. Warum wir uns nicht damit zufrieden geben, wo und in welcher Zeit wir leben. Anders, als üblich, verzichtet dabei der Drehbuchautor und Regisseur Allen hier auf einen viel zu tollpatschigen Protagonisten und arbeitet mit feineren, subtileren Mitteln, mit Charme, aber auch mit versteckter Ironie. Ein guter Film, den ich gerne weiterempfehle, auch wenn Allen leider auch diesmal nicht selbst auftritt. Aber bei seinem folgenden Film, der gerade gedreht wird, soll sich angeblich auch das ändern!

2011/11/11

Feuer frei!

Zwar schreiben wir heute mit dem 11. 11. 2011 ein viel denkwürdigeres Datum, als gestern, aber der gestrige Tag wird mir dank eines weiteren spektakulären Konzertereignisses eher in Erinnerung bleiben, als der heutige. Zum vierten Mal gastierte nämlich Rammstein in der ungarischen Hauptstadt, und ich durfte sie zum dritten Mal live erleben.

Die Band machte im Grunde dort weiter, wo sie vor etwas mehr als anderthalb Jahren im Rahmen ihrer Tour mit dem neuen Album aufgehört hatte. Ich hatte an dieser Stelle darüber berichtet. Nur, dass diesmal nicht das Werk Liebe ist für alle da im Mittelpunkt stand – nur zwei Songs wurden von dieser Platte gespielt –, sondern das bisherige Oevre der Band, um das in diesen Tagen erscheinende neue Best-of-Werk mit dem Titel Made in Germany 1995 – 2011 zu promoten.

Das genau zweistündige Konzert bot alles, was das Metal-Herz begehrt: neben großen Klassikern, die natürlich nie fehlen dürfen, und jede Menge Pyrotechnik, die seit den Anfängen fester Bestandteil einer jeden Show der sechs Jungs sind, haben sie sich auch diesmal Neues einfallen lassen. Einerseits wurden einige Lieder gespielt, mit denen man nicht gerechnet hätte, andererseits wurde über eine bewegliche Brücke die eigentliche Bühne mit einer Kleineren in der Mitte der Halle verbunden. Auf dieser gab die Band dann gleich zwei Lieder zum Besten, die für eine Überraschung unter den Fans sorgten, nämlich die beiden überaus schlüpfrigen Lieder Bück dich und Mann gegen Mann. Wobei natürlich auch einige dazugehörige Sado-Maso-Elemente nicht fehlen durften.

Ansonsten wurden sogar noch zwei Lieder mehr gespielt, als vor anderthalb Jahren. Bei den genau zwanzig Kompositionen kam jeder Fan auf seine Kosten, und auch wenn wahrscheinlich die meisten noch drei-vier Songs aufzählen könnten, die sie gerne gehört hätten: Diese Tatsache beweist nur, wie viele ganz große Klassiker die Band im Repertoire hat.

Schließlich muss auch noch die professionelle und respektvolle Haltung der sechs Jungs den Fans gegenüber erwähnt werden. Einerseits spürt man diese während der ganzen Show, andererseits verleihen sie dieser auch auf verschiedene Art und Weise ihren Ausdruck. Neben einigen ungarischen Worten des Sängers Till Lindemann wurde auch zweimal die ungarische Flagge gehisst.

So muss eine perfekte Rockshow in meinen Augen aussehen. Wollen wir hoffen, dass Rammstein nicht das letzte Mal in Budapest Halt gemacht hat!

2011/11/06

The Razors Edge

Es ist schon ein komisches Gefühl. Ich hatte schon richtig vergessen, wie es ist, aber so langsam kommen die Erinnerungen wieder. Nur noch ein paar Mal „üben“, und bald läuft es so geschmiert wie früher.

Ich rede hier vom Rasieren, das ich vor einigen Tagen das erste Mal wieder nach langer Zeit getan habe. Und mit „lange Zeit“ meine ich nicht einige Wochen oder Monate, sondern ganze anderthalb Jahre! So lange habe ich keinen Rasierer mehr angefasst, was bisher noch nie vorgekommen ist. Natürlich musste der Bart in diesen anderthalb Jahren ab und zu gestutzt werden, aber das habe ich mit einer Schere getan und zu viel Aufwand habe ich mir da ehrlich gesagt nicht gemacht. Zwischenzeitlich hatte die Gesichtsbehaarung folglich eine wirklich ansehnliche Länge erreicht.

Anderthalb Jahre sind eine nicht unbedeutende Zeit, wie ich meine. Ich war zwar mit meinem ersten Vollbart nicht restlos zufrieden, aber ich habe ihn im Laufe der Wochen und Monate akzeptiert. Er wird mit dem Voranschreiten meiner Lebensjahre sicherlich noch stärker und dichter werden, aber vorerst galt es: so oder gar nicht. Und deshalb habe ich das Experiment gewagt, durchgezogen und bin recht lange dabei geblieben.

Nun hieß es jedoch Abschied nehmen, weil ich wieder das Bedürfnis hatte, etwas zu ändern. So ist nun einmal ab und zu bei mir: Da kommt manchmal ein Schnurrbart zum Kinnbart oder er kommt weg, je nachdem. Dieses Mal ist der Vollbart also einem Kinnbart mit Schnurrbart gewichen, mal sehen, wie lange ich diese Kombination tragen werde.

Eines ist sicher: Irgendwann einmal werde ich wieder zum Vollbart zurückkehren, denn etwas Angenehmeres kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, als sich überhaupt nicht rasieren zu müssen. Zumal ich mir ja keine Sorgen mehr darüber machen muss, was die Vertreter des schönen Geschlechts von mir denken und sich die Dame des Hauses wider Erwarten mit dem „Gesichtspullover“ anfreunden konnte.

2011/11/03

Lulu

Schon bei der Ankündigung war zu erwarten, dass die musikalische Kollaboration zwischen Metallica und Lou Reed alles andere als durchschnittlich und gewöhnlich werden würde. Leider muss ich mich aber diesmal der Schar von Kritikern anschließen, die vom Konzeptalbum mit dem Titel Lulu nicht wirklich begeistert sind und viel mehr erwartet hätten.

Am schwierigsten ist es wohl, sich mit dem Sprechgesang des 69-jährigen Altrockers auf dieser Platte anzufreunden. Ich kenne sein Oevre im Übrigen nicht, weiß nicht, wie er ansonsten singt und musiziert, kann also auch kein Urteil über ihn fällen. Streckenweise hatte ich hier aber den Eindruck, ich hätte auch am Mikrofon stehen können und den Job mindestens genauso gut hinbekommen – ohne, dass ich hier überheblich wirken möchte. Das ist umso ärgerlicher, als dass die Stimme von James Hetfield zweifelsohne zu den besten im Genre gehört und er hier doch nur im Hintergrund agiert.

Die meisten der zehn Lieder des neuen Albums könnte ich mit dem eigentlich in einem anderen Sinne verwendeten, aber für mich hier sehr treffenden Ausdruck „experimentelle Musik“ charakterisieren. Ansonsten fällt es mir schwer, genau zu beschreiben, wie es auf der Platte zugeht. Wikipedia ordnet sie den Stilrichtungen Avantgarde und Noise-Rock zu. Fakt ist: Die meisten musikalischen Themen sind genießbar und rocken sogar teilweise, dank Metallica. Der Gesang – oder besser gesagt: der Sprechgesang – hat mir jedoch das Musikerlebnis beim ersten Anhören gehörig vermiest.

Zum Glück finden sich auf dem neuen, im Übrigen fast 90-minütigen Werk aber drei Lieder, in denen Lou Reed zumindest ansatzweise singt und die etwas davon erahnen lassen, wie das ganze Album hätte werden können, wenn alle Kompositionen in eine ähnliche Richtung gegangen wären. Das Auftaktlied Brandenburg Gate, der fünfte Track Iced Honey und der melancholische, 19 Minuten (!) lange Abschlusssong Junior Dad (mit einem langen Intro und einem noch längeren Outro) bieten mir zumindest eine kleine Entschädigung für den Rest der Zusammenarbeit, die – das sei der Vollständigkeit halber gesagt – auf den Lulu-Dramen des deutschen Dramatikers Frank Wedekind basiert.

Ansonsten kann ich nur sagen: Die Jungs hatten ihren Spaß, sie haben getan, was sie tun wollten und wieder einmal bewiesen, dass sie nichts und niemandem etwas schuldig sind. Nun können wir diesen kleinen Exkurs abhaken und wollen doch hoffen, dass das nächste reguläre Metallica-Album ein Riesenkracher wird.