2008/06/18

Paternoster

Gestern hatte ich ein Erlebnis der ganz besonderen Art: Ich bin ganz zufällig das erste Mal in meinem Leben mit einem sogenannten Paternoster gefahren, was ich mir schon lange gewünscht hatte. Für einige mag das vielleicht nichts Besonderes sein, aber so mancher wird womöglich nicht einmal wissen, was das überhaupt ist.
Nun, ein Paternoster ist ein altbewährter Aufzug ohne Türen, wobei die einzelnen Kabinen an einer Kette hängen und ständig in Umlauf sind. Auf der einen Seite kann man einsteigen, auf der anderen aussteigen.
Fast drei Jahrzehnte mussten also in meinem Leben verstreichen, bis ich endlich in den Genuss eines solchen Gefährts gekommen bin, und zwar in einem alten Bürogebäude. Ehrfürchtig näherte ich mich dem Aufzug, nachdem ich den Portier passiert und bemerkt hatte, was da auf mich wartet. Einen kurzen Augenblick lang kam mir der Gedanke, lieber nach der Treppe zu suchen, um in den zweiten Stock zu gelangen. Aber schließlich überwand ich mich und ließ diese vielleicht einmalige Chance nicht ungenutzt.
Ich sah zu, wie der vor mir stehende Mann einsteigt, sich drinnen umdreht und kurze Zeit später nach oben verschwindet -- mit einem Gesichtsausdruck, als wäre dies die natürlichste Sache auf der Welt. Nur wenige Sekunden später erschien von unten die nächste Kabine. Ich hielt mich am Griff, der in jedem Stockwerk fix montiert ist, fest und stieg ein. Nach dem Umdrehen kam auch schon die Hinweistafel, dass der erste Stock folgt. Noch einige Sekunden blieben mir, um dieses Erlebnis auszukosten, dann folgte die zweite Tafel und das jähe Ende meiner ganz persönlichen "Jungfernfahrt", das zum Glück genauso problemlos über die Bühne ging, wie der Anfang.
Nachdem ich meine Sache im Gebäude erledigt hatte, ging es wieder hinunter. Auf dem Weg zum Paternoster fand ich dieses Mal im Gewirr der Gänge zuerst die Treppe, verschwendete nun jedoch keinen Gedanken an einen Abstieg zu Fuß. Zielstrebig suchte ich nach dem für mich neuartigen Fortbewegungsmittel, das in Zeiten vollkommener Motorisierung und Modernisierung eine beinahe magische Wirkung auf mich ausübte, und fand es auch bald.
Diesmal stand niemand vor mir, sodass ich ohne abzuwarten einstieg und den Weg nach unten antrat. Ich passierte den ersten Stock und sah kurze Zeit später den Hinweis, dass das Erdgeschoss folgt, und dass ich aussteigen soll. Problemlos meisterte ich auch die letzte Hürde, hielt mich aber beim Aussteigen noch zur Sicherheit am Griff des Aufzugs fest. Man kann ja nie wissen...
Damit hatte ich mein erstes Paternoster-Erlebnis hinter mir, wobei mich seit gestern ein Gedanke ständig begleitet: Was wäre wohl passiert, wenn ich im Erdgeschoss dem Hinweis nicht gefolgt und nicht ausgestiegen, sondern in der Kabine geblieben wäre?

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