2009/10/08

Eurovision Song Contest der Literatur

Wenn es kein Widerspruch wäre, könnte man ja eigentlich auch vom Eurovision Song Contest der Literatur sprechen, oder? Ich meine natürlich den heute wieder vergebenen Nobelpreis für Literatur, der vor allem in den letzten Jahren, aber auch schon viel früher immer wieder in die Kritik geraten ist. Viel zu oft wurden große Talente und Schriftsteller nicht geehrt, andere wiederum, von denen nur die wenigsten etwas gehört, geschweige denn etwas gelesen haben, mit dem renommiertesten Literaturpreis ausgezeichnet.

Heute war es wieder soweit, und letztere Äußerung trifft wieder einmal zu. Ich glaube, ich bin nicht der einzige, der noch nie etwas von der deutschen Herta Müller gehört hat, und deshalb muss ich mich wohl auch nicht sonderlich schämen. Ich möchte hier nicht bestreiten, dass sie eine talentierte Schriftstellerin ist, die die Auszeichnung verdient hat – ich habe ja noch nichts aus ihrer Feder gelesen. Aber es sei mir die Anmerkung gestattet, dass es namhaftere, bedeutendere und erfolgreichere Schriftsteller gibt, die wieder einmal leer ausgehen mussten. Denken wir zum Beispiel nur an die im Vorfeld immer wieder genannten Philipp Roth, Joyce Carol Oates, Paul Auster oder Milan Kundera. Wie gesagt: Womöglich sind sie um nichts besser, als Herta Müller, aber bekannter und gelesener allemal.

Der Nobelpreis für Literatur ist jedoch einerseits reine Politik, was man angesichts der diesjährigen Preisträgerin wieder wunderbar sehen kann. Auch der bisher einzige ungarische Preisträger, Imre Kertész, der in manchen Kreisen sogar als „Nestbeschmutzer“ gilt, wurde zum Beispiel der Meinung eines großen Teils der ungarischen Öffentlichkeit zufolge im Jahre 2002 nicht wegen seines überwältigenden Stils und seiner herausragenden Fähigkeiten ausgezeichnet, sondern wegen des noch immer aktuellen Themas, des Holocaust. (Im Übrigen war auch er selbst in Ungarn weitgehend unbekannt.) Andererseits handelt es sich bei der Auszeichnung um die Entscheidung eines Gremiums, das sicherlich seine eigenen Vorlieben und Lieblinge hat, und es gibt mit Sicherheit auch Autoren, die bestimmte Mitglieder dieser Gruppe aus diesem oder jenem Grund zeitlebens boykottieren werden.

So weit, wie beim Song Contest, der zu einer regelrechten (im Übrigen zum Teil ebenfalls politischen) Farce verkommen ist, ist es in diesem Fall noch nicht gekommen, aber lange dürfte es meiner Meinung nach nicht mehr dauern. Zweifelsohne hat es immer wieder wohlverdiente und sehr gute Entscheidungen gegeben. Das Komitee sollte jedoch meiner Ansicht nach endlich von seinem hohen Ross herunterkommen, um zu sehen, was die Menschen wirklich denken, wen sie für lesenswert, was sie selbst für qualitativ hochwertige Literatur und wen sie für einen guten Schriftsteller halten.

2 Kommentare:

  1. Dr. Doktor9/10/09 19:24

    Mein Lieber, heute ist das Ganze zu einer Farce verkommen, mitten drin mit dem Mr. Präsident...

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  2. Richtig. Da kann man wirklich (auch) nur den Kopf schütteln, auch wenn es dabei nicht um Literatur geht.

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