2009/05/29

44 Jahre Funkstille

Ein Klassiker der amerikanischen Literatur wird Der Fänger im Roggen von Jerome David Salinger genannt. Der 1951 erschienene Roman beschreibt die Ereignisse von drei Tagen aus der Sicht des 17-jährigen Protagonisten, Holden Caulfield. Er verlässt das Internat, wo er studiert und wo er kurz vor dem Scheitern steht, wie schon in zwei anderen Schulen zuvor. Er macht sich auf den Weg nach New York und verbringt diese drei Tage auf der Straße und im Umfeld von zweifelhaften Menschen und versucht, einen angemessenen Umgang mit den Mitmenschen herauszubilden. Dies gelingt ihm jedoch nicht, da er überall auf Verlogenheit stößt und ihn – den Pubertär – niemand versteht, mit Ausnahme seiner jüngeren Schwester, die er am Ende des Romans trifft.
Das Werk, das zwecks Authentizität auch derbe Ausdrücke nicht scheut, beschreibt im Grunde belanglose Ereignisse aus dem Leben von Holden – teilweise als Erinnerungen in das aktuelle Geschehen eingeflochten –, die sich jedoch allesamt auf das Gemüt des Jungen auswirken. Am Ende, als ich zumindest irgendein großes Ereignis im Leben des Schülers vermutet hätte, steht im Grunde nichts, außer seinem Treffen mit seiner Schwester. Das einzig Nennenswerte, was wir noch über das zukünftige Leben Holdens erfahren, steht bereits auf den ersten Seiten des Romans: Er ist in einer psychiatrischen Klinik und erinnert sich dort an seine frühen Jahre, über deren drei Tage wir hier lesen können.
Das Werk Salingers war für mich ebenso verwirrend und befremdend, wie sein Leben. Der heute 90-jährige Autor lebt nämlich zurückgezogen in den USA, hat außer diesem Roman nur Kurzgeschichten und Novellen veröffentlicht und seit 1965 (!) nichts mehr publiziert, was ihm – so hat er in einem der seltenen Interviews gestanden – eine große Freiheit gibt.
Sein berühmtestes Buch ist im Grunde eine leichte Lektüre, aber wenn man all die Ereignisse und Momente bedenkt, die Holden widerfahren, wird die Gesellschaftskritik des Jungen und natürlich des Autors deutlich. Aus diesem Gesichtspunkt sind also die wirklich großen, nennenswerten Geschehnisse auch nicht notwendig. Trotzdem hatte ich am Ende des Romans das Gefühl, dass der Autor viel mehr aus dieser Situation hätte machen können. Es scheint, als hätte er sich nach der Devise „weniger ist mehr“ tatsächlich nur auf einige Momente im Leben und die Gedanken des Protagonisten konzentriert, die Beschreibung spektakulärer, bedeutender Folgen dieser Momente und Gedanken absichtlich vermeiden wollen und die Folgen, die Wirkungen fast zur Gänze dem Leser seines Buches überlassen.

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