2011/05/09

Sag' einfach Du

Es ist schon eine interessante zwischenmenschliche Sache mit dem Duzen und Siezen. Natürlich hat die ganze Angelegenheit auch einen kulturellen Aspekt, denn nicht in jedem Kulturkreis, ja nicht einmal in jedem Land, das demselben Kulturkreis wie ein anderes angehört, sind die diesbezüglichen (ungeschriebenen) Gesetze, Traditionen und Gepflogenheiten  identisch. Aber darüber möchte ich jetzt gar nicht schreiben.
 
Es geht vielmehr um folgendes: An meinem Arbeitsplatz, wo ich der zweitjüngste bin, duzen wir uns mit allen Kollegen, mit Ausnahme der Sekretärin, des Systemadministrators und der „Chefin“. Als ich an diesen Arbeitsplatz gekommen bin, haben mir alle Kollegen das gegenseitige „Du“ angeboten, was ich auch angenommen habe. Die drei genannten Personen haben das nicht getan, sodass ich sie verständlicher Weise natürlich bis zum heutigen Tage sieze. Die Sekretärin und der Systemadministrator sind um die fünfzig, die „Chefin“ über sechzig Jahre alt.

Nun ist es so gekommen, dass mich Dame des Hauses zu einer Veranstaltung begleitet hat, an der auch unsere Chefin teilgenommen hat. Die beiden haben sich noch nie gesehen, und deshalb ergriff ich die Gelegenheit, die beiden einander vorzustellen. Zwischen ihnen liegen genauso mehr als dreißig Jahre Altersunterschied, wie zwischen mir und der Chefin. Sogar noch einige Jährchen mehr. Nur dass sie beide eben dem weiblichen Geschlecht angehören.
So scheint es für die Chefin überhaupt keine Frage gewesen zu sein, die Dame des Hauses sofort zu duzen, als würden sie sich bereits seit Jahren kennen. Dabei bin ich es, der die Chefin seit ungefähr einem Jahrzehnt kennt. Die Dame des Hauses manövrierte dagegen geschickt im Irrgarten der ungarischen Sprache, sodass sie ihr Gegenüber während des kurzen, formellen Plauschs weder duzen, noch siezen musste.

Es ist schon eine komische Sache, vor allem, wenn ich an unsere Sekretärin denke, mit der ich fast jeden Tag zu tun habe, oder mich mit ihr unterhalte, mit der ich mich auch gut verstehe und die beinahe jeden anderen duzt. In der umgekehrten Situation würde ich sicherlich das „Du“ anbieten, genauso, wie im Fall unseres Systemadministrators, aber es gibt eben Menschen, die gehen in dieser Hinsicht etwas auf Distanz.
 
Ihr sollt mich nicht falsch verstehen, ich bin auch nicht einer, der jeden sofort duzen will und auch duzen würde. Im Gegenteil, diese „Ikea-Kultur“, wo jeder Unbekannte den anderen ohne Rücksicht auf das Alter des Gegenübers duzt, gefällt mir überhaupt nicht. Aber in Fällen, wie dem oben beschriebenen, könnte ich mir – vielleicht mit Ausnahme der Chefin – durchaus eine lockerere Umgangsform vorstellen.

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