2018/07/10

Komischer Kauz

Ich sinniere manchmal darüber, wie unterschiedlich wir Menschen doch sind. Unterschiedliche Persönlichkeiten, gepaart mit Unterschieden in der Erziehung, positive Erfahrungen und diverse Enttäuschungen und Schicksalsschläge prägen einen im Laufe der Jahre, Jahrzehnte und führen dazu, dass man bestimmte Verhaltensweisen, Taten oder Worte des anderen nicht oder nur schwer nachvollziehen kann bzw. selbst nie an den Tag legen oder sagen würde.
Ein Kollege von uns hat sich kürzlich nach etwa zehn Jahren bei uns von uns verabschiedet. Er wechselt zu einem anderen Arbeitgeber und zieht sogar in eine andere Stadt. Wir beide kennen uns sogar noch länger, seit fast zwanzig Jahren. Auch weil er wesentlich älter ist, war es immer ein reines Arbeitsverhältnis, kein freundschaftliches. Dabei spielten aber auch seine Persönlichkeit, seine kauzige, sonderbare Art eine Rolle, die mit voranschreitendem Alter und der Routine in der Arbeit noch stärker zum Vorschein kam.

Über sich erzählte er im Grunde nie etwas, Privates wurde meistens ausgeklammert. Nur einige wenige Informationen über ihn stellten sich im Laufe der Jahre heraus. Klar, Arbeit ist Arbeit, und ein Arbeitsplatz ist ein Arbeitsplatz, aber zehn Jahre sind schon eine Menge Zeit, und über alle anderen weiß man aus Gesprächen und diversen, nebenbei verstreuten Informationsbröseln mehr als über ihn.
Als er bei der Arbeit erscheinen musste, tat er das immer auf den letzten Drücker, war aber stets der Erste oder unter den Ersten, die gingen. Mitgefühl für andere zeigte er so gut wie nicht, und wenn etwas nicht so lief wie er das für richtig hielt, machte er seinem Unmut Luft, auch wenn er sich meistens, wenn es so kam, der Entscheidung der Mehrheit beugte. Unser Verhältnis war aber stets kollegial, ich habe viel von ihm gelernt und wir konnten trotz seiner Eigenheiten gut zusammenarbeiten.

Sein Abgang nun passte zu diesem oben beschriebenen Erscheinungsbild. Erst zwei-drei Wochen zuvor hatten wir von seiner Entscheidung erfahren. An seinem letzten Arbeitstag machte er kein großes Trara um seinen Weggang. Er verabschiedete sich zwar kurz mit Handschlag -- von den Kollegen -- und Küsschen -- von den Kolleginnen --, sagte jedoch dabei zum Beispiel Sachen, wie "Tja, wir sehen uns nie wieder". Was auch stimmen mag, aber einerseits soll man ja bekanntermaßen niemals nie sagen, andererseits hätte er das auch etwas dezenter, durch die Blume ausdrücken können. Auch wenn er sich vielleicht auf das neue Abenteuer und die neue Herausforderung freut und nunmehr genug von diesem Arbeitsplatz hatte. Andererseits wäre nicht er es gewesen, wenn die Verabschiedung anders verlaufen wäre...

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