2013/08/23

"Post morderne"

Es ist schon so eine Sache mit der modernen oder besser postmodernen Kunst. Der Anlass meines Beitrags wird hier wohl den wenigsten etwas sagen, sei aber nichtsdestotrotz kurz erwähnt:
Die bekannteste ungarische Rockoper über Stephan I., den ersten König der Ungarn, aus dem Jahre 1983 wurde jetzt von einem bekanntermaßen (post-) modernen Regisseur umgearbeitet und vor einigen Tagen auf die Bühne gestellt. Dabei hat er im Grunde nur den damaligen Text und die ungefähre Melodie der Lieder beibehalten, aber sogar deren Geschwindigkeit und die eingesetzten Instrumente weichen ab. Von den Bühnenbildern, den Kostümen und all den Einzelheiten ganz zu schweigen. So treten zum Beispiel in der dreißig Jahre späteren Version Kommandoeinheiten auf, die Schauspieler tragen Jeanshosen und Sonnenbrillen, und einige Protagonisten steigen auf der Bühne aus Autos aus. Als Kontrast behandeln die Texte der vorgetragenen Lieder noch immer die Zeit nach dem Jahr 1000 herum, auch die Figuren sind dem Anschein nach dieselben.

Diese kurze Darstellung sollte reichen, um aufzuzeigen, womit wir es hier zu tun haben. Das Interessante sind dabei die von Grund auf verschiedenen Meinungen, die solch ein Stück und postmoderne Kunst im Allgemeinen generieren kann. Was für einige eine revolutionäre neue Sichtweise, ein vollkommen neuer, nie da gewesener Ansatz, eine Reihe von genialen Schachzügen ist, stellt für die andere Seite eine Verulkung des ursprünglichen Stücks, einen inakzeptablen Tabubruch, die Verspottung der ungarischen Geschichte und ihrer großen Persönlichkeiten dar.
Erschwert wird die Beurteilung der Situation natürlich von der Tatsache, dass das gesamte Geschehen von Politik durchdrungen ist. Die Liberalen und ihre Anhänger treffen hier auf die Konservativen und ihre Sympathisanten. Aber lassen wir diesen Aspekt beiseite.
Das ganze erinnert mich an die Situation, wenn Besucher vor einem (post-) modernen Gemälde stehen. Für die einen ist es ein atemberaubendes Kunstwerk, das viel Spielraum für verschiedene Interpretationen lässt, waghalsig und neuartig ist, mit Farben spielt, mit dem Alten und mit unnötigen Tabus bricht. Für die anderen sieht das Gemälde ganz einfach so aus, als hätte jemand einen Eimer voller Farbe auf die Leinwand geschüttet.

Ich persönlich kann mit moderner und postmoderner Kunst nur in den seltensten Fällen etwas anfangen. Weder mit Gemälden, noch mit Theateraufführungen, die dieser – zugegeben ziemlich weiten – Gattung zugeordnet werden. Auch die jetzt aufgeführte, im Fernsehen gesehene Rockoperversion war für mich eher ein Graus als ein Vergnügen, mit der ich nichts anfangen kann. Zumal ich ein großer Anhänger der ursprünglichen Fassung bin und mit den Meisten meiner Generation die Handlung und so ziemlich alle Lieder auswendig kenne.
Ich akzeptiere, dass auch solche „Cover-Versionen“ irgendwo ihre Daseinsberechtigung haben, genauso wie die neuartige Sichtweise und der Bruch mit dem Alten. Ich akzeptiere die künstlerische Freiheit – auch wenn ich oft das Gefühl habe, dass nicht wirklich von Künstlern gesprochen werden kann. Aber für mich wird es in solchen Fällen nie eine Frage sein, was ich als echte Kunst ansehe, für welche Fassung ich mich persönlich entscheide und welche Version langfristig – post mortem – erhalten bleiben und weiterleben wird.

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