Ich weiß auch nicht so recht, warum ich damals über die beiden früheren Konzerte von Guns N’ Roses, bei denen ich dabei sein konnte, auf diesen Seiten nicht berichtet habe. Muss wohl dieser unsägliche Zeitmangel gewesen sein. Asche über mein Haupt. Auf jeden Fall habe ich mir aber gedacht, diesen Fehler einerseits diesmal nicht ein drittes Mal zu begehen, andererseits den Mangel an dieser Stelle nun mit meinen ausführlichen Gedanken zum jüngsten Auftritt vergessen zu machen.
Dabei waren auch die beiden früheren Konzerte ein unvergessliches Erlebnis. So wie Metallica seit meiner Studentenzeit zu meiner Lieblingsband avancierten, waren Guns N’ Roses die prägende Band par excellence meiner Kindheit und Pubertät. Der große Schmerz, sie auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, im Rahmen der Use Your Illusion-Welttour um 1992 herum nicht gesehen zu haben, obwohl mein Bruderherz damals in diesen Genuss gekommen war, hat sich mittlerweile – spätestens seit gestern hoffentlich für immer – gelegt.
Nach dem Zerwürfnis der Urgesteine Axl, Slash und Duff, der Farce um die Entstehung des in neuer Besetzung aufgenommenen Albums Chinese Democracy – wer erinnert sich noch? – hätte wohl niemand gedacht, dass die drei genannten Herren auf die Sechzig zugehend wieder zueinander finden. Treffender, als das herrlich ironische Motto der Reunion-Tour vor einigen Jahren, hätte man die Situation damals nicht formulieren können: Not in This Lifetime...
Nun aber bot sich für mich nach 2017 in Wien und 2023 in Budapest erneut die Gelegenheit, GN’R live zu erleben. Wer als 60-Jähriger (wie Bassist Duff oder Gitarrist Slash, der in genau einer Woche seinen runden Geburtstag feiert) oder als Ü60-Jähriger (Axl Rose ist bereits 63) alle paar Tage ein beinahe dreieinhalbstündiges (!) Marathon-Konzert absolviert, dem gebührt an sich schon alle Ehre. Bei dieser Länge ist man auch schon als einfacher Zuschauer massiv gefordert – und diese Herren schonten sich gestern keine Minute auf der Bühne. Dass sie sich an diesem lauen Sommerabend wohlfühlten, sah man ihnen nicht nur an ihren Gesten und an Axls Kommentaren an. Davon zeugt auch die Tatsache, dass in dieser Zeit insgesamt 32 Songs zum Besten gegeben wurden, zwei-drei Lieder mehr als bei den Konzerten zuvor.
Apropos, Welttournee. Diesmal stand die Produktion unter dem ebenfalls treffenden, verschmitzten Motto Because What You Want & What You Get Are Two Completely Different Things. Trotz der Konzertlänge und der Songanzahl wurden nämlich diesmal zum Beispiel die beiden Klassiker Patience und Don’t Cry ganz einfach aus dem Programm gestrichen. Dafür hörten wir einige Lieder mehr, die aus der Ära von Chinese Democracy stammen, ebenso wie etliche Coverversionen. Darunter einen Meilenstein des Heavy Metal, Sabbath Bloody Sabbath, der für GN’R als ziemlich ungewöhnlich bezeichnet werden kann, aber einige Tage zuvor beim Bühnenabschied von Black Sabbath und Ozzy Osbourne in Birmingham bereits zum Besten gegeben wurde.
Wer – euphemistisch gesagt – fordernde Jahrzehnte wie diese Musiker, vor allem Axl Rose, hinter sich hat und mit fast Mitte Sechzig quasi laufend, Abend für Abend, noch solch eine Show abliefern kann, verdient es, dass wir den Hut vor ihm ziehen. Da lohnt es sich überhaupt nicht darüber zu lamentieren, dass der Frontmann nicht mehr alle hohen Töne singen kann, oder dass seine charakteristische Stimme vom Höhepunkt seiner Karriere nicht mehr die gleiche ist. Nach einigen Jahren unterdurchschnittlicher Produktionen ist die Stimme aber wieder da, überdurchschnittlich und mehr als zufriedenstellend, vor allem im Rahmen von Live-Auftritten. So wie auch seine Form und Fitness, mit der es zwischenzeitlich auch Probleme gab.

Alles in allem war es ein fantastischer musikalischer Abend mit beinahe allen großen Hits der frühen Jahre, noch dazu weit vorne stehend, in unmittelbarer Bühnennähe. Für mich ist es immer wieder ein Genuss, vor allem live, monumentale, ja epische Lieder wie Estranged oder Civil War zu hören – um andere Höhepunkte als das immer wieder erwähnte, allseits bekannte November Rain zu nennen.
Ob der Anfang und das Ende der gestrigen Show mit den Hits Welcome to the Jungle und Paradise City genauso durchdacht war, wie das diesjährige Motto, weiß ich nicht. Fakt ist aber, dass wir auf dieser großen, dreieinhalbstündigen Reise vom Dschungel losgehend im Paradies angekommen sind. Eine schönere Reise hätte ich mir ehrlich gesagt nicht wünschen können. Wenn es kein Abschied auf Raten, sondern ein endgültiger wäre – was man bei diesen Herrschaften aufgrund ihres Alters leider genauso wenig wissen kann, wie im Fall von Iron Maiden vor wenigen Wochen – hätte ich ihn mir nicht viel schöner komponiert vorstellen können... Oder vielleicht doch, in Bezug auf eine winzige Kleinigkeit: Wenn sie den ersten Song des Konzerts damals, vor mittlerweile 38 (!) Jahren, Welcome to Hell genannt hätten und wir gestern aus der Hölle im Paradies angekommen wären.