2025/04/30

Seelenfrieden

Neulich habe ich unweigerlich ein kurzes Gespräch einer Bekannten mit einer anderen mitgehört. Die beiden standen direkt neben mir, sodass ich ihre Worte einerseits nicht überhören konnte. Andererseits ging es – wie das beim Smalltalk so üblich ist – lediglich um Belanglosigkeiten. Und um eine genau solche Belanglosigkeit soll es auch in diesem Beitrag gehen.

Die erwähnte Bekannte ist eine geschiedene Frau mit Kindern und geht langsam, aber sicher auf die Sechzig zu. Sie hat in ihrem Beruf quasi alles erreicht, was möglich ist und könnte sich theoretisch auf ihren Lorbeeren ausruhen. Der Preis für all das dürfte jedoch ziemlich hoch gewesen sein. Dass ihre Ehe (auch) wegen ihrer persönlichen Ambitionen scheiterte, kann ich aus unserer Bekanntschaft nur erahnen. Aber ihre Worte im besagten Gespräch sprechen auf jeden Fall Bände.

Auf die Frage der Gesprächspartnerin, wie es ihr denn gehe, antwortete die Bekannte nämlich unter anderem kurz und ziemlich bedröppelt: Sie hätte viel zu tun, und es wäre ein Jammer, dass das Leben an uns so vorbeiziehe und wir fast nie innehalten könnten, um das Leben einfach mal zu genießen.

Trotz aller Empathie für sie und ihre Situation muss ich sagen: Ihre Worte waren Balsam für meine Seele. Sie bestärkten mich nämlich darin, dass ich alles richtig gemacht habe und mache. Überdurchschnittlicher beruflicher Erfolg, hohe und vor allem Führungspositionen erfordern nicht nur bis zum Augenblick ihres Erringens Kraft, Disziplin und Arbeit. Einmal oben angekommen wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit nichts mit dem Ausruhen auf den Lorbeeren. Schließlich muss man einerseits sich und den anderen stets beweisen, dass man nicht zufällig dort ist, wo man gerade ist. Andererseits geht das auch mit Aufgaben und Verpflichtungen einher, die man notgedrungen nicht zurückweisen kann.

Jedem das seine, wie man so schön sagt. Für mich wäre das – trotz diverser bisheriger beruflicher Erfolge und erreichter Ziele – mit Sicherheit nichts. Dafür sind mir meine Ruhe, mein innerer Frieden, mein Privatleben und meine Freizeit viel zu wichtig. Aber zum Glück denken wir ja nicht alle gleich. Die Prioritäten der erwähnten Bekanntschaft sind andere, und sie nimmt dafür den entsprechenden Preis, nämlich ihren Seelenfrieden, ganz einfach in Kauf. Mich wiederum motiviert ihre jüngst mitgehörte resignierte Aussage. Es scheint, als ob ich alles richtig gemacht hätte.

2025/04/13

Auf den Wellen wird gefochten

Lange ist es her, Anfang der Neunziger muss es gewesen sein, als wir in der Schule im Rahmen des Unterrichts den 1983 gedrehten Kurzfilm „Die Welle“ gesehen haben. Ich habe ihn als sehr gut gelungenes, prägendes Werk in Erinnerung, das auf einem wahren Schulexperiment beruht.

Gestern haben wir uns – auf einen Hinweis hin – die ein Vierteljahrhundert später gedrehte Neuverfilmung mit Jürgen Vogel in der Hauptrolle angesehen, da sie uns als ein sehr gutes Werk empfohlen wurde. Mit einer gehörigen Verspätung im Vergleich zur Premiere im Jahr 2008. Wer keinen der beiden Filme gesehen hat, sollte das erst einmal nachholen, bevor er hier weiterliest, um Spoiler zu vermeiden.

Wir müssen uns mit der Dame der Hauses noch erkundigen, ob derjenige, der uns den Tipp gegeben hat, das Originalwerk gesehen hat. Ich mag es zu bezweifeln. Bis zur Schlussszene war ich mit dem neuen Film recht zufrieden. Das Ende jedoch hat zumindest bei uns einen ziemlich schlechten Nachgeschmack hinterlassen. Im Vergleich zu den wahren Begebenheiten und dem ersten Film wurde dieses nämlich komplett geändert und passt mit seiner Gewaltszene meines Erachtens überhaupt nicht zu der bis dahin dargestellten Handlung. Mein erster Gedanke am Ende war, dass weniger eben oft mehr ist – auch in diesem Fall hätte man sich die Eskalation der Gewalt sparen und dem Original treu bleiben können und sollen.

Zwar kann ich verstehen, weshalb aufgrund der wiederholten, schrecklichen schulischen Gewalttaten der letzten Jahre und Jahrzehnte, die in den Medien jedes Mal ausführlich thematisiert werden, dieses Ende gewählt wurde. Aber abfinden kann ich mich damit leider nicht, weder in Kenntnis des Originalwerks noch des Originalexperiments, auf dem der Film basiert. Zudem tut es mir für diejenigen schon ein wenig leid, die nur diese Version gesehen haben und sehen, und das Original überhaupt nicht kennen, weil sie meiner Meinung nach recht viel verpassen.