2024/08/22

Kristallklar

Viel besser, als vor fünf Jahren, kann ich meine Gedanken am heutigen Jahrestag nicht wirklich zusammenfassen, aber lasst es mich zumindest versuchen. Fakt ist, dass die Dame des Hauses und ich heute ein weiteres schönes Jubiläum gemeinsam feiern dürfen, nämlich unsere Kristallhochzeit.

Anderthalb gemeinsame Ehejahrzehnte mit Auf und Abs, aber vor allem doch mit Aufs. Im oft so grauen Alltag ist es immer wieder schön, dass man Feiertage – und manchmal auch ziemlich runde – hat, die einem die Möglichkeit geben, die vergangene Zeit Revue passieren zu lassen und für das gemeinsam Erreichte dankbar zu sein. Es tut gut, im Alltagstrubel für einen Tag stillzuhalten, die hin und wieder aufkommenden Probleme und Reibereien zu vergessen und ab morgen in kleinen, unbedeutenden oder zumindest unbedeutend erscheinenden Schritten daran zu werken, dass es auch im nächsten Sommer etwas – wenn auch weniger Rundes – und in fünf Jahren dann ein weiteres schönes Jubiläum zu feiern gibt.

Es sind vor allem die grauen Alltage, aus denen sich die gemeinsame Geschichte von uns allen zusammenfügt und um weitere Seiten, weitere Kapitel erweitert wird. Irgendwie so, wie der Sinn des Lebens wohl das Leben an sich, das Meistern von Herausforderungen und Problemen ist. Oder wie das Glück, das Glücklichsein im Leben grundsätzlich wohl die Aneinanderreihung von positiven Erlebnissen ist. Ja, vielleicht sogar eher das Nacheinander von als neutral oder gar positiv aufgefassten Alltagsereignissen. Ohne rosarote Brille, dafür aber mit dem unabdingbaren Blick nach vorne und einer positiven anstatt griesgrämigen Einstellung zu den Mitmenschen und Begebenheiten.

Also auf weitere 365 gemeinsame, vor allem grau erscheinende Alltage! Obwohl… nicht ganz, denn im nächsten Frühjahr gibt es dann einen weiteren, hell leuchtenden Feiertag im Alltagsgrau: Dann feiern wir nämlich mit der Dame des Hauses zwanzig gemeinsame Jahre seit unserem Kennenlernen.

2024/08/13

Schöne heile Welt

Auch, wenn in der Vergangenheit schon viel darüber geschrieben wurde, erstaunt es mich immer wieder, wie die Beziehung der Menschen zu den sozialen Netzwerken ist. Ich denke, jeder könnte selbst ein Liedchen davon singen. In der jüngsten Vergangenheit bin ich (wieder) auf gleich drei Fälle in meinem Bekanntenkreis aufmerksam geworden, die wieder einmal bestätigen, wie diese Netzwerke funktionieren, und wie wenig Glauben man ihnen schenken kann. Und auch, wie unnötig, ja gar heuchlerisch es im Grunde ist, über eigene Erfolge, Errungenschaften und Erlebnisse bei Faceb**k, L*nkd*n & Co. zu berichten.

Zwei Bekannte, die teils bei ersterem, teils bei zweiterem Netzwerk regelmäßig über ihre beruflichen Erfolge berichtet und jede Chance ergriffen haben, sich selbst und die Firma, für die sie arbeiteten, in ein gutes Licht zu rücken, haben – wie ich indirekt davon erfahren habe – ihren Job verloren. In dem einen Fall wurde der Person gekündigt, im anderen wahrscheinlich ebenfalls, wie ich zumindest aufgrund der Umstände vermute. Die früher so häufigen und ein mehr als positives Bild vermittelnden Posts sind natürlich in der Zwischenzeit vollständig abgeebbt. Ich nehme an, dass die nächsten diesbezüglichen Posts der Beiden der Gefolgschaft in grandiosem Ton verkünden werden, dass die Betroffenen eine neue, ungeheuer aussichtsreiche Anstellung bei dieser oder jener Firma gefunden haben.

Der dritte Fall ist noch prekärer: Eine Scheidung ist immer eine unschöne Sache. Wenn aber den Bekannten etliche Jahre hindurch eine glückliche, ja sogar problemlose Beziehung vorgegaukelt wurde und noch dazu regelmäßig die Fotos der Sprösslinge – quasi als Beleg für die heile Welt – geteilt wurden, dann ist die Ernüchterung bei den Bekannten umso größer. Wobei die schlechte Nachricht selbstverständlich nicht den sozialen Netzwerken zu entnehmen ist, sondern auf Umwegen die Kontakte erreicht. Auch in diesem Fall hege ich den Verdacht, dass die Betroffenen wie Phönix aus der Asche steigen werden, wenn sie dann ihre jeweils neuen Partner präsentieren werden.

Fazit: Ich sehe viel zu selten Beiträge über Kündigungen, Schwierigkeiten bei der Jobsuche, Abweisungen. Und auch über Streitereien, Eheprobleme und -krisen und schmerzhafte Trennungen oder Scheidungen. Wenn man schon sein Leben unter anderem in sozialen Netzwerken lebt, über all die schönen Dinge, die einem widerfahren, berichtet und immer wieder Fotos teilt, auf denen alle Beteiligten lächeln oder unbeschwert lachen, dann plädiere ich dafür, auch in weniger rosigen Zeiten den Mut zu haben und sich seelisch zu „entblößen“. Oder man sollte – wie es immer mehr Freunde und Bekannte auch in meinem Umfeld tun – das Ganze sein lassen und nur das Allernötigste kundtun. Schließlich kann man ja nie wissen, wann man das nächste Mal entlassen wird, sich vom aktuellen Partner trennt oder sich scheiden lässt.